Baumangel, Fliesen

Praxis Fliesen: Tatort Baustelle: Wer ist der Täter?

Optische Beeinträchtigungen an Wand- und Bodenbelägen führen häufig zu Unstimmigkeiten zwischen Verlegern und Bauherren.

Aber was ist in dem Fall, dass nicht die handwerkliche Verlegung/Verfugung bemängelt wird, sondern die materialbedingten Eigenschaften hinsichtlich der Oberflächenhomogenität und Reinigungsfähigkeit?

Der Fall auf der Baustelle:

Der Bauherr suchte sich in der Ausstellung eines Fliesengroßhandels anhand von Mustertafeln eine großformatige, keramische Feinsteinzeugfliese in den Maßen 0,60 x 0,60 mit glasierter Oberfläche aus. Dabei betreute ihn sein Fliesenleger mit technischer Unterstützung. Ausschlaggebend für die Fliesenauswahl war neben der Fliesenoptik auch die werbliche Aussage des Herstellers, dass die Feinsteinzeugfliesen mit einer speziellen Oberflächenveredelung versehen sind.
Diese veredelte Oberfläche soll die Unterhaltsreinigung besonders einfach machen und zudem die Einwirkzeiten und den Verbrauch von chemischen Reinigungsmitteln deutlich reduzieren, mit der Folge von relevanten Kosteneinsparungen für den Bauherrn.
In der Fliesenausstellung wurden die keramischen Fliesen vom Bauherrn und Fliesenleger sowohl optisch, als auch haptisch betrachtet.
Auf Wunsch der Bauherren wurden diese keramischen Fliesen im gesamten Wohnbereich, also im Wohn- und Esszimmer, Küche und Flur des Erdgeschosses im Dünnbettverfahren verlegt. Der Verlegeuntergrund für die Bodenbeläge besteht aus einer beheizten, schwimmenden Estrichkonstruktion.
Weiterhin wurden diese Fliesen im Badezimmer und in der Gästetoilette im Wand- und Bodenbereich verlegt, wobei optisch zusammenhängende Flächen an Wand- und Boden entstehen, um den modernen, stilistischen Designcharakter des Gebäudes zu unterstreichen.

Nach ca. 3 Monaten folgte eine Mängelanzeige der Bauherren an den Fliesenleger als Lieferant der keramischen Fliesen. Inhaltlich wurde die Reinigung der Bodenbeläge bemängelt, da die Reinigung nur sehr mühevoll durch intensives mechanisches Scheuern durchzuführen war. Optisch sahen die Fliesen nach der Reinigung immer noch so aus, als wäre nicht gereinigt worden.

Bauherr: Das habe ich so nicht bestellt. Die Fliesen in der Ausstellung sahen anders aus!

Feststellung der Bauherren: Wo ist die spezielle Oberflächenversiegelung, die seitens des Herstellers ausgelobt wird und eine leichte Reinigung ermöglichen soll?

Und nun?
Der Fliesenleger vermutete eine unsachgemäße Reinigung des Bauherren z. B. „runde Ecken“ mit filmbildenden/rückfettenden Reinigern und machte Reinigungsversuche unter Zuhilfenahme von Reinigungsspezialisten.

Resultat: Man konnte zwar die Feinsteinzeugfliesen reinigen, musste aber feststellen, dass die Fliesen besonders im Randbereich  rauer und matter aussehen. Optisch wirkte der Fliesenbelag immer noch so, als wäre nicht gereinigt worden.

Rücksprache beim Großhändler und Fliesenhersteller. Ortstermin aller Beteiligten.
Feststellung: Bei Vergleich der Fliesen (eine die direkt vom Hersteller und eine der verlegten Bodenfliesen) zeigte sich, dass die Fliese vom Hersteller eine vergleichsweise optisch deutlich homogeneren Oberfläche besonders an den Randbereichen aufweist.
Beim Ortstermin einigte man sich auf eine Materialprüfung bei einem spezialisierten Prüfinstitut für keramische Oberflächen zu beauftragen. Dazu wurde eine Fliese aus dem Bodenbelag entfernt und zusammen mit der, seitens des Herstellers gelieferten Fliese an das Prüfinstitut geschickt.
Das Prüfinstitut unternahm visuelle und haptische Untersuchungen. Die Ergebnisse zeigten deutlich, dass es sich bei den zu untersuchenden Fliesen zwar um die gleiche Serie handelt, aber die Oberflächen unterschiedliche Strukturen aufweisen. Besonders bei der mikroskopischen Untersuchung zeigten sich deutliche Unterschiede. Ebenso waren die laborseitigen Reinigungsversuche sehr unterschiedlich.

Die Bestimmung der Reinigungsfähigkeit erfolgte nach der im Forschungsinstitut für anorganische Werkstoffe – Glas/Keramik GmbH – entwickelten und akkreditierten Arbeitsvorschrift „Reinigungsverhalten von Fliesen“.
Hier wird die Fliesenoberfläche mit einem speziellen Gemisch von Ruß, Speiseöl und Kaolin verschmutzt und anschließend in einem automatischen Mehrspurwischgerät durch Wischen mit einer – aus einer Hako Tekkerbürste/Plate (Brush 330 SiC – 6.12 K600 – 0,5 M) präparierten Bürste und/oder einem Mikrofaserpad und einem gängigen Neutralreiniger mit 20 Hüben pro Minute gereinigt. Diese Methode wurde für den Discounterbereich entwickelt und ermittelt nicht nur die Reinigungsfreundlichkeit, aber auch die Schmutzempfindlichkeit über die Bewertung des Schmutzrückstandes (falls vorhanden) nach insgesamt 30 Hüben.

Folgende Unterscheidungskriterien wurden geprüft:

  • die Reinigungsfähigkeit / Oberflächenverschmutzung nach 6 Hüben
  • die Reinigungsfähigkeit / Oberflächenverschmutzung nach 15 Hüben
  • die Reinigungsfähigkeit / Oberflächenverschmutzung nach 15 – 15 Hüben

Ergebnis der labortechnischen Reinigungsversuche

Bei der verlegten Fliese zeigte sich, dass erst nach 30 Reinigungshüben die Oberfläche einigermaßen sauber war. Bei der seitens des Herstellers gelieferten Fliese war die Fliesenoberfläche bereits nach 6 Hüben sauber.
Zusammenfassend ist festgestellt worden, dass die Fliesenoberfläche der verlegten Fliesen eine erhöhte Rauheit gegenüber der Vergleichsfliese aufweist, die  in einer produktionstechnischen Ursache begründet ist.
Die Fliesen lassen sich nachweislich nur mit einem erhöhten Reinigungsaufwand reinigen und sind somit als schmutzempfindlich einzustufen.
Die Fliesen im Badezimmer und in der Gästetoilette liegen im Gegensatz zu den Bodenfliesen des Wohnbereiches nicht im direkten repräsentativen Bereich. Es wurde festgestellt, dass die Ausführung der Arbeiten in diesen Bereichen handwerklich der Regelausführung eines Werkes von mittlerer Art und Güte entspricht und sich für eine gewöhnliche Verwendung eignen. Alleinig die Oberfläche der Keramik lässt sich schlecht reinigen und weist eine gewisse Rauigkeit auf. Im Bereich der Gästetoilette und im Badezimmer sind die Fliesen überwiegend im Wandbereich verlegt. Hier unterscheiden sich die Reinigungszyklen gegenüber den Bodenbereichen dahingehend, dass die Wände weniger verschmutzen und somit seltener gereinigt werden müssen. Für diese Bereiche kann alternativ zu den o.g. Bodenflächen eine Wertminderung in Ansatz gebracht werden.

Fazit:

Wie dieser Fall zeigt, ist nicht immer die handwerkliche Leistung für Beanstandungen verantwortlich, sondern manchmal liegt die Ursache auch im Herstellungsprozess und somit in der Verantwortung des Herstellers.
Anmerkung: Nach langen intensiven Gesprächen mit dem Fliesenhersteller wurde eine für den Bauherren akzeptable Lösung gefunden.

Autor: euroFEN e.V.

Beim Schnelltest werden Reinigungsfähigkeit und Oberflächenverschmutzung nach sukzessive 6, 15 und 30 Hüben visuell bewertet. Das Ergebnis wird im feuchten Zustand dokumentiert und nach Trocknen an der Luft bewertet.
Beim Schnelltest werden Reinigungsfähigkeit und Oberflächenverschmutzung nach sukzessive 6, 15 und 30 Hüben visuell bewertet. Das Ergebnis wird im feuchten Zustand dokumentiert und nach Trocknen an der Luft bewertet.
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