Flecken Naturstein, Gutachten

Praxis Naturstein: Tatort Baustelle: Wenn Naturstein im Haus „ausblüht“

Anröchter Stein ist ein sehr schöner Naturstein für die Gestaltung von Boden- und Treppenbelägen im Innenbereich. Wenn dieser sich jedoch schon bald nach der Verlegung weiß verfärbt ist dies nicht nur unansehnlich. Dann stellt sich auch die Frage: „Wie konnte das denn passieren?“

Warum nicht auch den Keller in einen schicken Wohnbereich verwandeln? Dies könnte die Motivation gewesen sein, umfangreiche Modernisierungsarbeiten im Kellergeschoss einer Villa ausführen zu lassen. Teil derer Arbeiten war die Neugestaltung der Treppe, des Duschbades und großen Teilen des Bodenbelages im Kellergeschoss mit einem Anröchter Stein.
Zuvor lag ein schlichter PVC-Belag auf dem blanken Betonboden – da war der neue Natursteinboden doch eine beeindruckende Aufwertung.

Bereits nach einem relativ kurzen Zeitraum verfärbte sich aber ein Teilbereich des Bodenbelages (in einem kleineren Flur mit einer Außentür zum Garten). Die Art und Ausprägung dieser Verfärbungen – nämlich weiß und hellgrau – ließ bei allen Beteiligten auf Ausblühungen als Ursache tippen.
Schnell war man sich einig, dass der Boden ausgetauscht werden muss.
Man ging davon aus, dass aufgrund einer fehlerhaften Abdichtung im Bereich der hofseitigen Ausgangstür Wasser von außen in die Bodenkonstruktion gelangen konnte und damit die Ursache für die Ausblühungen darstellte.

Beim zweiten Mal wird alles besser

Sodann wurde die Abdichtung im Außenbereich erneuert bzw. ausgebessert.
Zusätzlich – um ganz sicher zu gehen – wurde der Betonboden in dem Flur vor der erneuten Verlegung des Natursteinbelages nach unten mittels einer horizontalen Abdichtungsebene abgedichtet.
Der Naturstein Anröchter in der Größe von 40 x 60 x 2 cm mit einer feingeschliffenen Oberfläche wurde im Halbverband mittels eines Naturstein-Dünnbettmörtels verlegt. Die Fugen wurden mit grauem Zementfugenmörtel verfugt.
Nun sollte es doch funktionieren.

Die Ausblühungen traten jedoch nach Fertigstellung des neuen Natursteinplatten-Belages erneut massiv auf. Das Unverständnis hierüber war groß. Was war denn hier passiert?

Ausblühungen auf dem Bodenbelag aus Anröchter Stein
Ausblühungen auf dem Bodenbelag aus Anröchter Stein

Verständlicherweise wollte und konnte weder der Eigentümer noch der Fliesenfachbetrieb, welcher die Arbeiten nach Planung und mit Überwachung eines Ingenieurbüros ausgeführt hatte, mit diesem Zustand des Bodenbelages leben.
Zur Klärung der Ursache wurde deshalb ein ö.b.u.v. Sachverständiger des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerks mit der Begutachtung und Bewertung beauftragt.

Beim Ortstermin waren auf der Belagsoberfläche weiße bis weiß-gräuliche Flecken, über die gesamte Raumfläche mehr oder weniger verteilt, erkennbar. In Richtung Außentür nahm die Anzahl und die Größe der Flecken ab.
Die größte Ausprägung befand sich im Kreuzungsbereich zu den angrenzenden Kellerräumen. Weitere gleichartige Verfärbungen befanden sich auf der Stufe zum Nebenraum, sowie partiell in den Eckbereichen Boden-Sockel und teilweise auf den Sockelfliesen.

Verfärbungen im Bereich der Türzarge
Verfärbungen im Bereich der Türzarge

Diese weißen Verfärbungen waren nicht nur optisch wahrnehmbar, sondern auch haptisch fühlbar. Es waren erhebliche Verkrustungen vorhanden, die Oberfläche war diesen Bereichen bereits „angegriffen“, also teilzerstört.
Auch in den Bereichen der Bodenfläche, bei welchen sich keine Verfärbungen abzeichneten, fühlte sich die Oberfläche rau an – deutlich unebener als die vergleichbare geschliffene Oberfläche.

Kleine Ursache – große Wirkung

Der im Ortstermin vorgefundene Zustand war ein Beleg dafür, dass die vormals unzureichende Abdichtung im Türbereich nicht bzw. nur marginal die Ursache der Ausblühungen gewesen sein kann. Es sei angemerkt, dass die Ausblühungen direkt hinter der Tür/ im Türbereich sogar deutlich weniger vorhanden waren, als im übrigen Flur.

Ausblühungen bedingen drei Voraussetzungen und entstehen nur, wenn alle drei Voraussetzungen gemeinsam und gleichzeitig vorhanden sind.

  1. ein freier Anteil an Calciumhydroxid (bildet sich systembedingt bei der Aushärtung von Portlandzement)
  2. ein Feuchtigkeitspotential für den Transport des Calciumhydroxids
  3. ein kapillarer Werkstoff, der den Transport des Calciumhydroxids ermöglicht

Calciumhydroxid hat hydrophile Eigenschaften, wie die meisten Salze. Durch das Wasser oder Feuchtigkeit geht Calciumoxid aus dem Verlegemörtel in Lösung. Durch Trocknungsprozesse wird das so entstandene Calciumhydroxid kapillar an die Oberfläche transportiert.  Hier reagiert das Calciumhydroxid mit dem Kohlendioxid aus der Luft unter Freisetzung von Wasser. Es bildet sich Calciumcarbonat (Kalkstein, nicht mehr wasserlöslich). Diese sogenannte Carbonatisierung dauert ca. 4 Wochen.

1. ein freier Anteil an Calciumhydroxid

Bei der Verlegung der 2 cm dicken Natursteinplatten wurde als Dünnbettmörtel ein Flexkleber mit hoher Kunststoffvergütung und Trassanteil verwendet.
Im Ortstermin konnten Reste des Fliesenklebers im Bereich einer bereits vorhandenen Bauteilöffnung entnommen werden. Diese wiesen eine übliche Beschaffenheit auf, wie sie ein fester und trockener Fliesenkleber haben sollten.
Aufgrund der Porosität des verwendeten Natursteins (Anröchter Stein ca. 10%) und den Eigenschaften des verwendeten Fliesenklebers war davon auszugehen, dass auch den nicht geöffneten Bereichen des Bodens der Fliesenkleber ursprünglich trocken war.

Unabhängig davon ist es dennoch möglich, dass bei einer ständigen Durchfeuchtung eines bereits getrockneten Fliesenklebers Bestandteile dessen auslaugen und kapillar transportiert werden. Beleg dafür war in diesem Fall, dass sich zwischen der Schicht der Verbundabdichtung und den Natursteinplatten NUR der Fliesenkleber befindet – die Ausblühungen konnten folglich auch NUR aus dieser Schicht stammen.

2. ein Feuchtigkeitspotential für den Transport des Calciumhydroxids

Um ein entsprechendes Feuchtigkeitspotential in den gegenständlichen Böden zu schaffen, muss entweder a) Wasser in flüssiger Form der Konstruktionsschicht zugeführt werden (Durchfeuchtung der Bodenplatte von unten, mangelnde Abdichtung nach außen, defekte wasserführende Leitungen) oder b) eine Wasserbildung / Wassererzeugung durch Kondensation.

Die Möglichkeit a) konnte aufgrund der Abdichtungsebenen ausgeschlossen werden.
Die Möglichkeit b) wird nachstehend erläutert.

Bekannt ist im Allgemeinen, dass bei ungedämmten Kellern (Kellerboden und Kellerwände), die außerhalb im Erdreich liegen) insbesondere im Sommer Kondenswasser entsteht.
Oftmals sind dann diese Flächen feucht. Dieser Effekt ist vergleichbar mit beschlagenen Badezimmerspiegeln oder Autoscheiben.
Je nach Wärmeabfluss, Höhe der Luftfeuchtigkeit und Temperaturgefälle innerhalb der Konstruktion entscheidet sich die Lage des Taupunktes – also dem Punkt, wo Kondenswasser entsteht.

Unter „ungünstigen“ Bedingungen kann der Taupunkt auch innerhalb der Konstruktion, also unter dem Belagsmaterial liegen.
Da es sich bei den gegenständlichen Räumlichkeiten um Bodenbeläge auf ungedämmten Bodenplatten handelt, sind die Voraussetzungen zur Tauwasserbildung definitiv gegeben – Feuchtigkeitspotential für den Transport der Salze ist vorhanden.

3. ein kapillarer Werkstoff, der den Transport des Calciumhydroxids ermöglicht

Der Naturstein Anröchter Stein besitzt eine Wasseraufnahmefähigkeit von 1,0 – 4,0 Gewichts-% und eine Porosität von bis zu 10,0 Volumen-%.
Von seiner Zusammensetzung her handelt es sich mehr um einen Kalkstein (ca. 64% Kalkanteil und 17% Quarzanteil).
Mit diesen Kenndaten ist ein kapillarer Feuchtigkeitstransport möglich.

Somit sind alle drei Voraussetzungen

  1. ein freier Anteil an Calciumhydroxid
  2. ein Feuchtigkeitspotential für den Transport des Calciumhydroxids
  3. ein kapillarer Werkstoff, der den Transport des Calciumhydroxids ermöglicht

für das Entstehen von Ausblühungen gegeben.

Hinsichtlich der Möglichkeit der Tauwasserbildung wurden vor Ort entsprechende Messungen vorgenommen. Hierzu wurden an mehreren Messstellen sowie im großen Flur und im Duschbad an den von Ausblühungen betroffenen Stellen Feuchtigkeit und Temperaturen gemessen, sowie die Taupunkttemperaturen ermittelt.


In Auswertung der Ergebnisse dieser Messungen war erkennbar, dass:  

  • aufgrund der vorherrschenden Bedingungen in fast allen Fällen bereits bei unter 10 – 11 °C der Taupunkt einsetzt, d.h. Tauwasser gebildet wurde.
  • sich innerhalb der Bodenkonstruktion eine relativ hohe und nicht übliche Feuchte befand.
  • im Außentürbereich, wo die Oberflächentemperatur niedriger ebenso der Taupunkt folglich niedriger war. Genau in diesem Bereich waren deutlich erkennbar weniger Ausblühungen vorhanden.
  • in den Bereichen mit der höchsten Oberflächentemperatur die Feuchtigkeit am höchsten war. Genau in diesen Bereichen waren deutlich erkennbar mehr Ausblühungen vorhanden.

Ungedämmte Beton-Bodenplatten weisen i.d.R. eine Temperatur von 9 – 10 °C auf.
Die Taupunkttemperaturen auf den mit den Ausblühungen betroffenen Bereichen liegen in einem Bereich, dass sich innerhalb der Bettungsschichten Tauwasser bilden kann und bildet. In Folge der Tauwasserbildung sind mit dem daraus resultierenden Feuchtigkeitsgehalt alle Bedingungen für die Entstehung von Ausblühungen erfüllt.

Auch der Umstand, dass es bei dem ehemals vorhandenen Bodenaufbau (Estrich + Linoleum) nicht zu Ausblühungen gekommen sei, ist nachvollziehbar und erklärbar.
Hier waren die Oberflächentemperaturen auf dem Linoleum sicher niedriger gewesen. Außerdem wurde der Keller vormals weniger als Wohnraum genutzt, war also auch weniger temperiert bzw. beheizt.

Fazit

Die Ursache der Ausblühungen am Naturstein Anröchter Stein sind in der Untertemperierung des Bodens (ungedämmte Betonplatte) und der daraus resultierenden Tauwasserbildung innerhalb der Konstruktion begründet. Dagegen ist der schönste Naturwerkstein nicht gefeit!

Dieser bauphysikalische Zusammenhang wurde bei der Planung des neuen Bodenbelages im Keller dieser Villa nicht berücksichtigt. Ein kleines Detail im Gesamtaufbau – jedoch mit einer (im wahrsten Sinn des Wortes) durchschlagenden Wirkung.

Autor: euroFEN e.V.
(Jörn Dahnke)

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