Bei diversen Herstellern von Zusatzmitteln werden von normativ geregelten Grenzwerten zur Belegreife bei Zementestrichen und Calciumsulfatestrichen abgewichen und anderweitige Grenzwerte oder Abzüge vorgegeben.
Die Versprechungen, für den Zeitraum zum Erreichen der Belegreife, verschiedener Hersteller sind zudem noch unterschiedlich. Sehr wenige Produzenten beschreiben offen, dass Trocknungszeiten unmittelbar von Klimabedingungen und Estrichdicken abhängig sind. Bei vielen wurden diese Einschränkungen im „Kleingedrucktem“ versteckt und sind bei genaueren Hinsehen gut verpackt, dennoch zu finden.
Meistens können die angegebenen Klimaforderungen mit den der Baustelle real möglichen Klimaverhältnisse nicht erfüllt werden. Für die Praxis sind solche Angaben oftmals nicht zu gebrauchen. Von manchen Herstellern werden Vorgaben an w/z Werte, die Verwendung von zuvor vom Hersteller geprüften und freigegebenen Gesteinskörnungen und Zemente, exakte Mischanweisungen etc. vorgegeben um die zugesicherte Eigenschaften zu erreichen. In vielen Fällen reduzieren Zusatzmittel das Anmachwasser und tragen zudem Luftporen in den Mörtel ein.
Das Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung Troisdorf (IBF)für hat Wirkungsweisen von „7 Trocknungsbeschleunigern“ bei Frisch- und Festmörteleigenschaften aufwendig untersucht. Das Ergebnis wurde in der Fußbodentechnik Ausgabe 3/2002 veröffentlicht.
Zitat Seite 7:
Bei den Estrichen der zweiten Versuchsreihe verdunstete ab Erreichen des Belegreife-Grenzwertes von 2 CM-% bis zum Alter von 28 Tagen noch etwa 1,2 M-% Feuchte über die Estrichoberfläche. Die überprüften Estriche hatten nach 28 Tagen in Normalklima also noch nicht ihre Ausgleichsfeuchte erreicht. 1,2 M-% entspricht etwa einem Liter Feuchtigkeit pro Quadratmeter, die ab dem Zeitpunkt der vermeintlichen Belegreife noch austrat. Eine solche Feuchtemenge in einem so kurzen Zeitraum ist nach unserer Erfahrung zumindest für feuchteempfindliche Bodenbeläge eindeutig zu hoch.
Bericht IBF Seite 11 Ergebnisse auf einen Blick:
Bei Estrichen mit beschleunigenden Zusatzmitteln sind Grenzwerte für die Belegreife und die Messmethode vom Bauherrn/Planer dem Bodenleger frühzeitig rechtsverbindlich mitzuteilen, ansonsten gelten die oben genannten Grenzwerte für die CM-Messmethode nach Empfehlung der DIN 18560 Teil 1 Ausgabe November 2015.
Empfehlung an den Verarbeiter bei Verwendung von beschleunigten Zusatzmitteln mit anderslautenden Grenzwerten bzw. bei Nennung von Trocknungsfristen oder die Reduzierung der Trocknung mit Tages- oder Wochenangabe durch den Hersteller:
Empfehlung an den Planer:
(Tonerdeschmelzzement), Calciumsulfat und Additiven. Mit solchen Rezepturen erreicht man ein Bindemittelgemisch, das den überwiegenden Teil des Anmachwassers mit der Hydratation bindet. Übliche w/z-Werte liegen bei ca. 0,40 – 0,50. Durch die hohe Wasserbindung und des relativ niedrigen w/z-Werts und die hohe Hydratationswärme dieser Bindemittel, muss nur noch ein geringer Teil des Anmachwassers verdunsten. Ungünstige Umgebungsbedingungen und/oder hohe Estrichdicken beeinflusst daher kaum die Trocknungszeit bis zu Belegreife. Eine weitere Besonderheit dieser ternären Schnellzemente ist je nach Rezeptur die schwundarme Abbindung. Nahezu verlässliche Aussagen für das Erreichen der Belegreife (Feuchtegehalt, Festigkeit und Schwindverhalten) sind im Gegensatz zu Estriche unter Verwendung von Normzemente und unter Zumischung von Estrichzusatzmittel bzw. Zusatzmittelbeschleuniger möglich, da bei diesen Bindemitteltypen das Baustellenklima durch die wesentlich höhere Wasserbindung bei der Hydratation eher eine untergeordnete Rolle spielt. Die Wahl der Bindemitteleigenschaften sind auf die bauseitigen Anforderungen abzustimmen.
Trocknungsbeschleunigte Zusatzmittel benötigen in der Regel Kriterien wie die Verwendung von optimal abgestimmte Sieblinien, Zemente, WZ-Werte und Klimabedingungen um die zugesicherten Eigenschaften des Herstellers zu erfüllen. Einige Trocknungsbeschleunigte Zusatzmittelhersteller geben Grenzwerte/Eigenschaften außerhalb normativen Vorgaben vor.
Zementestriche hergestellt mit ternären Bindemitteln erreichen durch die hohe Wasserbindung bei der Hydratation, auch bei den üblich ungünstigen Baustellenverhältnissen, die Belegreife in einem planbaren Zeitfenster.
Durch den meist höheren Bindemittelbedarf bei ternären Schnellzemente sowie Produktions- und Materialbedingten höheren Herstellungskosten können Estriche mit Zusatzmittelbeschleuniger und Estriche mit ternären Schnellzementbindemittel preislich nicht gleichgestellt werden.
Ein technischer Vergleich zu den Eigenschaften hinsichtlich Schwundverhalten, Trocknung etc. bei der Vergabe ist nicht möglich.
Für ternäre Schnellzemente und für Estriche mit Zusatzmittel gilt gleichermaßen:
Erhöhte Wasserzugabe, ungeeignete Gesteinskörnungen/Sieblinien, Zugluft beim Abbinden, Sonneneinstrahlung, handwerkliche Ausführungsdefizite u.v.m. beeinflussen direkt die Eigenschaften wie Estrichqualität und Trocknungszeiten
(Peter Körber)
Verständlicherweise wollte und konnte weder der Eigentümer noch der Fliesenfachbetrieb, welcher die Arbeiten nach Planung und mit Überwachung eines Ingenieurbüros ausgeführt hatte, mit diesem Zustand des Bodenbelages leben.
Zur Klärung der Ursache wurde deshalb ein ö.b.u.v. Sachverständiger des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerks mit der Begutachtung und Bewertung beauftragt.
Beim Ortstermin waren auf der Belagsoberfläche weiße bis weiß-gräuliche Flecken, über die gesamte Raumfläche mehr oder weniger verteilt, erkennbar. In Richtung Außentür nahm die Anzahl und die Größe der Flecken ab.
Die größte Ausprägung befand sich im Kreuzungsbereich zu den angrenzenden Kellerräumen. Weitere gleichartige Verfärbungen befanden sich auf der Stufe zum Nebenraum, sowie partiell in den Eckbereichen Boden-Sockel und teilweise auf den Sockelfliesen.
Diese weißen Verfärbungen waren nicht nur optisch wahrnehmbar, sondern auch haptisch fühlbar. Es waren erhebliche Verkrustungen vorhanden, die Oberfläche war diesen Bereichen bereits „angegriffen“, also teilzerstört.
Auch in den Bereichen der Bodenfläche, bei welchen sich keine Verfärbungen abzeichneten, fühlte sich die Oberfläche rau an – deutlich unebener als die vergleichbare geschliffene Oberfläche.
Der im Ortstermin vorgefundene Zustand war ein Beleg dafür, dass die vormals unzureichende Abdichtung im Türbereich nicht bzw. nur marginal die Ursache der Ausblühungen gewesen sein kann. Es sei angemerkt, dass die Ausblühungen direkt hinter der Tür/ im Türbereich sogar deutlich weniger vorhanden waren, als im übrigen Flur.
Ausblühungen bedingen drei Voraussetzungen und entstehen nur, wenn alle drei Voraussetzungen gemeinsam und gleichzeitig vorhanden sind.
Calciumhydroxid hat hydrophile Eigenschaften, wie die meisten Salze. Durch das Wasser oder Feuchtigkeit geht Calciumoxid aus dem Verlegemörtel in Lösung. Durch Trocknungsprozesse wird das so entstandene Calciumhydroxid kapillar an die Oberfläche transportiert. Hier reagiert das Calciumhydroxid mit dem Kohlendioxid aus der Luft unter Freisetzung von Wasser. Es bildet sich Calciumcarbonat (Kalkstein, nicht mehr wasserlöslich). Diese sogenannte Carbonatisierung dauert ca. 4 Wochen.
1. ein freier Anteil an Calciumhydroxid
Bei der Verlegung der 2 cm dicken Natursteinplatten wurde als Dünnbettmörtel ein Flexkleber mit hoher Kunststoffvergütung und Trassanteil verwendet.
Im Ortstermin konnten Reste des Fliesenklebers im Bereich einer bereits vorhandenen Bauteilöffnung entnommen werden. Diese wiesen eine übliche Beschaffenheit auf, wie sie ein fester und trockener Fliesenkleber haben sollten.
Aufgrund der Porosität des verwendeten Natursteins (Anröchter Stein ca. 10%) und den Eigenschaften des verwendeten Fliesenklebers war davon auszugehen, dass auch den nicht geöffneten Bereichen des Bodens der Fliesenkleber ursprünglich trocken war.
Unabhängig davon ist es dennoch möglich, dass bei einer ständigen Durchfeuchtung eines bereits getrockneten Fliesenklebers Bestandteile dessen auslaugen und kapillar transportiert werden. Beleg dafür war in diesem Fall, dass sich zwischen der Schicht der Verbundabdichtung und den Natursteinplatten NUR der Fliesenkleber befindet – die Ausblühungen konnten folglich auch NUR aus dieser Schicht stammen.
2. ein Feuchtigkeitspotential für den Transport des Calciumhydroxids
Um ein entsprechendes Feuchtigkeitspotential in den gegenständlichen Böden zu schaffen, muss entweder a) Wasser in flüssiger Form der Konstruktionsschicht zugeführt werden (Durchfeuchtung der Bodenplatte von unten, mangelnde Abdichtung nach außen, defekte wasserführende Leitungen) oder b) eine Wasserbildung / Wassererzeugung durch Kondensation.
Die Möglichkeit a) konnte aufgrund der Abdichtungsebenen ausgeschlossen werden.
Die Möglichkeit b) wird nachstehend erläutert.
Bekannt ist im Allgemeinen, dass bei ungedämmten Kellern (Kellerboden und Kellerwände), die außerhalb im Erdreich liegen) insbesondere im Sommer Kondenswasser entsteht.
Oftmals sind dann diese Flächen feucht. Dieser Effekt ist vergleichbar mit beschlagenen Badezimmerspiegeln oder Autoscheiben.
Je nach Wärmeabfluss, Höhe der Luftfeuchtigkeit und Temperaturgefälle innerhalb der Konstruktion entscheidet sich die Lage des Taupunktes – also dem Punkt, wo Kondenswasser entsteht.
Unter „ungünstigen“ Bedingungen kann der Taupunkt auch innerhalb der Konstruktion, also unter dem Belagsmaterial liegen.
Da es sich bei den gegenständlichen Räumlichkeiten um Bodenbeläge auf ungedämmten Bodenplatten handelt, sind die Voraussetzungen zur Tauwasserbildung definitiv gegeben – Feuchtigkeitspotential für den Transport der Salze ist vorhanden.
3. ein kapillarer Werkstoff, der den Transport des Calciumhydroxids ermöglicht
Der Naturstein Anröchter Stein besitzt eine Wasseraufnahmefähigkeit von 1,0 – 4,0 Gewichts-% und eine Porosität von bis zu 10,0 Volumen-%.
Von seiner Zusammensetzung her handelt es sich mehr um einen Kalkstein (ca. 64% Kalkanteil und 17% Quarzanteil).
Mit diesen Kenndaten ist ein kapillarer Feuchtigkeitstransport möglich.
Somit sind alle drei Voraussetzungen
für das Entstehen von Ausblühungen gegeben.
Hinsichtlich der Möglichkeit der Tauwasserbildung wurden vor Ort entsprechende Messungen vorgenommen. Hierzu wurden an mehreren Messstellen sowie im großen Flur und im Duschbad an den von Ausblühungen betroffenen Stellen Feuchtigkeit und Temperaturen gemessen, sowie die Taupunkttemperaturen ermittelt.
In Auswertung der Ergebnisse dieser Messungen war erkennbar, dass:
Ungedämmte Beton-Bodenplatten weisen i.d.R. eine Temperatur von 9 – 10 °C auf.
Die Taupunkttemperaturen auf den mit den Ausblühungen betroffenen Bereichen liegen in einem Bereich, dass sich innerhalb der Bettungsschichten Tauwasser bilden kann und bildet. In Folge der Tauwasserbildung sind mit dem daraus resultierenden Feuchtigkeitsgehalt alle Bedingungen für die Entstehung von Ausblühungen erfüllt.
Auch der Umstand, dass es bei dem ehemals vorhandenen Bodenaufbau (Estrich + Linoleum) nicht zu Ausblühungen gekommen sei, ist nachvollziehbar und erklärbar.
Hier waren die Oberflächentemperaturen auf dem Linoleum sicher niedriger gewesen. Außerdem wurde der Keller vormals weniger als Wohnraum genutzt, war also auch weniger temperiert bzw. beheizt.
Die Ursache der Ausblühungen am Naturstein Anröchter Stein sind in der Untertemperierung des Bodens (ungedämmte Betonplatte) und der daraus resultierenden Tauwasserbildung innerhalb der Konstruktion begründet. Dagegen ist der schönste Naturwerkstein nicht gefeit!
Dieser bauphysikalische Zusammenhang wurde bei der Planung des neuen Bodenbelages im Keller dieser Villa nicht berücksichtigt. Ein kleines Detail im Gesamtaufbau – jedoch mit einer (im wahrsten Sinn des Wortes) durchschlagenden Wirkung.
Autor: euroFEN e.V.
(Jörn Dahnke)